Schottstraße, Erbbegräbnisstätte Müllensiefen

Der kreisförmig angelegte Friedhof wird von einer niedrigen Mauer mit aufgesetztem Eisengitter und einem zweiflügeligen Eisentor zwischen Eingangspfeilern umschlossen. Beidseitig eines Rundwegs befinden sich die Grabstellen mit gleichartigen Grabsteinen. Auf der Außenseite des Weges sind die Grabsteine in die Begrenzungsmauer eingelassen. Es fällt auf, dass religiöse Symbole fehlen. Die erste Bestattung datiert 1847. Der Friedhof ist bis heute in Benutzung.

Das Erbbegräbnis ist bedeutend für die Stadt Witten, weil die Familie Müllensiefen zu den wichtigen Industriellenfamilien der Stadt im 19. Jahrhundert gehörte.

Die Brüder Gustav (1799-1874)  und Theodor (1802-1879) Müllensiefen gründeten in Witten-Crengeldanz eine Glasfabrik. Theodor war als Abgeordneter in der preußischen Nationalversammlung auch als Politiker tätig. Gustav Müllensiefen war Präsident der Bochumer Handelskammer von deren Gründung 1857 bis 1863. Die Wittener Tafelglasproduktion zählte im 19. Jahrhundert zu den bedeutendsten in Deutschland und blieb auch im 20. Jahrhundert noch ein bedeutender Wirtschaftszweig Wittens.

Der Begründer der Wittener „Dynastie“ der Müllensiefen, Peter Eberhard Müllensiefen (1766 – 1847), der aus einer bergischen Familie stammte, war wie schon sein Vater ein überzeugter Anhänger der zum Pietismus zu rechnenden „Neuen Kirche“, die von Immanuel von Swedenborg, einem der bedeutendsten Naturwissenschaftler des 18. Jahrhunderts, begründet worden war. Dieser hatte sich im Alter nach einem von ihm selbst beschriebenen nächtlichen Gotteserlebnis der religiösen Mystik zugewandt. Peter Eberhard Müllensiefen besaß zahlreiche Schriften von Swedenborg (heute in der Staatsbibliothek Stuttgart) und verfasste selbst Werke über Swedenborg. Sein Sohn Theodor war Herausgeber von Swedenborgs Schriften; durch die Heirat einer Tochter gab es eine Verbindung zu Immanuel Tafel in Tübingen, dem bedeutendsten Vertreter dieser „Neuen Kirche“ im 19. Jahrhundert (die Kirche existiert noch heute).

Nach Auskunft heutiger Familienmitglieder standen einige Müllensiefen im 19. Jahrhundert auch der Herrenhuter Brüdergemeinde nahe, die ebenfalls dem Pietismus zuzurechnen ist. Die Herrenhuter hatten im 18. Jahrhundert eine neue Form des Friedhofs etabliert, die dadurch charakterisiert ist, dass der Friedhof nach einem strengen Raster gegliedert ist, dass alle Grabstellen gleich groß und in strenger Ordnung aufgereiht und die Grabsteine schlicht und alle gleichartig sind. Damit sollte darauf hingewiesen werden, dass alle Menschen vor Gott gleich seien. Außerdem wird auf Herrenhuter Friedhöfen auf jegliche religiöse Symbolik verzichtet. Diese Vorstellungen haben offensichtlich auch die Anlage des Erbbegräbnisses bestimmt.

Wie aus dem Wörterbuch für Sakralkultur hervorgeht, gehörte zu einem Herrenhuter Gottesacker ein Hügel. Es spricht viel dafür, dass der künstlich aufgeschüttete Hügel südöstlich der Begräbnisstätte in direktem Zusammenhang mit dem Erbbegräbnis steht, insofern er an den Hutberg in Herrenhut erinnern soll, an dessen Fuß der Herrenhuter Gottesacker angelegt war.