Altschulden, Corona, Ukraine-Krieg: Städtischer Haushalt vor großen Herausforderungen

Dass Wittens städtischer Haushalt auf Kante genäht ist, ist keine Neuigkeit. Gerade dann sind Krisen, wie sie in den vergangenen Monaten und Jahren aufgetreten sind, ein besonderes Risiko. Kämmerer Matthias Kleinschmidt sieht aktuell praktisch keine Chance auf einen genehmigungsfähigen Haushalt.

Dass Wittens städtischer Haushalt auf Kante genäht ist, ist nun wahrlich keine Neuigkeit. Gerade dann sind Krisen, wie sie in den vergangenen Monaten und Jahren aufgetreten sind, ein besonders großes Risiko. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben den Haushalt massiv belastet – einen Haushalt, der bereits unter enormen Altschulden ächzt und zugleich noch viel Geld für die Pflichtaufgaben bereitstellen muss. Die Lösung für die Altschulden steht immer noch aus und die Isolation der Schäden durch Corona und den Ukraine-Krieg fällt ab 2024 voll ins Gewicht. Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt bringt die Lage auf den Punkt: „Die Aussichten auf einen genehmigungsfähigen Haushalt sind gegen Null gesunken.“ Bürgermeister Lars König ergänzt: „Die dringend notwendigen, zukunftsgerichteten Investitionen werden für uns jetzt eine riesige Herausforderung.“

Drei wichtige Faktoren haben großen Einfluss darauf, wie sich die Haushaltslage einer Stadt wie Witten entwickeln wird: eine mögliche Altschuldenregelung, das Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) und das Corona- und Ukraine-Isolationsgesetz (NKF-CUIG).

Altschulden: Kommunen sollen – auf Umwegen – selber zahlen

Die Eckpunkte der von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens angekündigten Altschuldenlösung sehen nahezu keine originäre Landesbeteiligung vor. Neben dem erwarteten Bundesanteil wird der übrige Teil demnach fast vollständig durch die Kommunen finanziert, indem das Geld durch den Vorwegabzug aus dem Gemeindefinanzausgleich genommen wird. Während bei einer Übernahme der Schulden eine Zinsentlastung für Witten resultiert (für 2024 sind dafür 9,8 Mio. Euro angesetzt), werden die Schlüsselzuweisungen für Witten gleichzeitig sinken. Dennoch ist rein aus Wittener Sicht hier eine Verbesserung wahrscheinlich, auch wenn Details zur weiteren Berechnung noch vollständig fehlen. Ob die Bundesregierung den Vorschlag akzeptiert, ist bestenfalls als offen zu betrachten.

Gemeindefinanzierungsgesetz: Weniger Zuteilungen, mehr Steuern

Vier Faktoren wirken sich, potentiell oder gesichert, negativ auf die Gemeindefinanzen aus. Lediglich für das Altschuldenprogramm trifft das aus Wittener Sicht womöglich nicht ganz zu. Aus Perspektive aller Kommunen in NRW ist aber auch da ein Schaden für die Städte und Gemeinden zu erwarten.

Zudem wird ab 2024 aus den Landesmitteln für die Kommunen ein weiterer Betrag abgezogen, um die aufgestockten Mittel aus den Corona-Jahren auszugleichen. Auch das führt dazu, dass die Kommunen nun weniger Geld zur Verfügung haben.

Von den Mitteln, die bisher über die Investitionspauschale (IVP) zur freien investiven Verwendung den Kommunen zufloss, wird etwa ein Sechstel als weiterer Vorwegabzug für 40 Jahre umgewidmet in ein Klima-Investitionsprogramm. Ergebnis: jährliche Ertragsverluste bei der IVP und höhere Abschreibung im Ergebnishaushalt, das heißt, in Witten kommt weniger Geld zur freien Verfügung an.

Da die aktuelle Steuerentwicklung der Verbundmassen-Steuern durch die Wachstumsschwäche sowie Steuerentlastungen gedämpft ist, sind hier insgesamt negative Effekte zu erwarten. Da aber die relativen Veränderungen von Bedarfen und Steuerkraft aller Städte eine Rolle spielen, ist eine konkrete Aussage erst auf der Basis einer Modellrechnung möglich. (Verbundmassen-Steuern sind Steuereinnahmen des Landes, die dieses als Zuwendung an die Kommunen weitergibt.)

Corona- und Ukraine-Isolationsgesetz: Schulden belasten Haushalt zusätzlich

Mit Schreiben vom 5. Juli 2023 haben dann die kommunalpolitischen Sprecher der CDU- und der Grünen-Landtagsfraktion den kommunalen Spitzenverbänden mitgeteilt, dass sie nicht beabsichtigen, das NKF-CUIG zu verlängern. Nach der nicht weiter ausgeführten Begründung heißt es in dem Schreiben, es sei „jetzt [...] an der Zeit, zu den normalen Regeln des Haushaltsrechts in den Kommunen zurückzukehren.“

Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt hält dagegen: „Nicht nur aus Wittener Sicht ist leider von Normalität nichts zu erkennen – im Gegenteil. In der aktuellen Finanzplanung rechnen wir auch für die nächsten Jahre noch mit Isolationsbeträgen von jährlich über 24 Mio. Euro.“

Nur unter Nutzung der Isolation konnte Witten den formalen Haushaltsausgleich erreichen. Unter sonst gleichen Umständen würde nach Wegfall der Isolation ein Defizit von rund 25 Mio. Euro in allen Planjahren entstehen – dabei sind originäre weitere Verschlechterungen wie z.B. Tarifabschlüsse noch gar nicht berücksichtigt.

Unter diesen Bedingungen hält Kleinschmidt ein städtisches Konsolidierungsprogramm, mit dem ein Betrag von 25 Mio. Euro generiert werden soll, für nicht erreichbar. Bürgermeister Lars König verweist auf die Schwierigkeiten, die bereits heute im „Tagesgeschäft“ bestehen: „Selbst unsere Pflichtaufgaben sind schon jetzt nicht ausreichend finanziert. Der Ausbau der Kinderbetreuung in Kita und OGS, die Unterbringung von Zuwanderern und Flüchtlingen und die Jugendhilfe weisen steigende Fehlbeträge auf.“

Genehmigungsfähiger Haushalt gerät außer Reichweite

Damit wird Witten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wie in den Jahren vor 2012 in eine langandauernde Phase nicht genehmigungsfähiger Haushalte geraten. Dadurch wird die Handlungsfähigkeit der Stadtverwaltung und des Rates der Stadt absehbar massiv eingeschränkt. Insbesondere bei den sogenannten freiwilligen Leistungen und bei den Investitionen werden sich die negativen Folgen wohl unmittelbar zeigen. Das kann selbst solche Projekte betreffen, deren Sinn außer Zweifel steht.

Somit gilt die Aussage des Hauptgeschäftsführers des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, von Ende Oktober 2022 weiter uneingeschränkt: „Wir stehen sehr wahrscheinlich vor der größten Finanzkrise der Städte und Gemeinden seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.“

Einen kompakten Überblick über die Einnahmen und Ausgaben im städtischen Haushalt einschließlich einer Prognose bis 2026 gibt es im Ergebnis- und Finanzplan auf der Homepage der Stadt Witten.

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